Robert HP Platz
Werkkommentar
REZITAL


REZITAL wurde im Frühjahr 1992 in Japan begonnen und wäre ohne die Erfahrung der japanischen Gärten in Kyoto nicht entstanden  -  jene Gärten, deren verschlungene Wege durch oft nur begrenztes Terrain mit  jeder Biegung neue Ausblicke auf ein und dieselbe Landschaft eröffnen.

Die fünf  Flöten  -  Piccolo-, Große Flöte, Alt-, Baß- sowie Kontrabaßflöte  -  erscheinen denn auch wie die Spitzen einer imaginären Landschaft, die der musikalische Fluß durchmisst.

Formt der musikalische Fluß den so abgesteckten Bühnenraum als Aktionsraum des Spielers? Oder zwingt ihn diese Landschaft in seine Bahn?

... Mit jeder Biegung des Weges neue Ausblicke auf ein und dieselbe Landschaft...

Am Ende wird ein Tonband zur natürlichen Erweiterung des Instrumentes, so wie die japanische Vorstellung der "geborgten Landschaft" den Garten über sich selbst hinaus erweitert, in die Ferne, ins Grenzenlose...

REZITAL habe ich vom Frühling bis Herbst 92 für die Flötistin Carin Levine geschrieben; jahreszeitliche Wechsel finden sich in diesem Flötengarten ebenso wieder wie Tageszeiten, Himmelsrichtungen und Elemente.

Für das Ende suchte ich  -  als zu "borgende Landschaft"  -  einen japanischen Text über den Winter, die Nacht... und fand aus der Spielkartensammlung der Edozeit "100 Gedichte von 100 Dichtern" das Gedicht von Ohtomo-no Yakamochi.

Ich ließ es mir von dem freundlichen alten Herrn, von dem ich die beiden alten Holzschnittkärtchen kaufte, vorsingen:

Kasagi no wataseru hashi ni oku shimo no
Shiroki wo mirebe yo zo fuke ni keru.

I look up at the starry sky
And see the frost laid clear and white
Upon the Magpie Bridge on high
To know how far spent is the night.

Robert HP Platz