Robert HP Platz
Werkkommentar
tôku / NAH


Am Ende des SCHREYAHN-Komplexes (GRENZGÄNGE STEINE LEERE MITTE SCHREYAHN) öffnet sich der musikalische Raum hin zu einer Klanglandschaft, fast rund um das Publikum: das VI. Buch von SCHREYAHN wird von einem Fernorchester gespielt, das im Verlauf des Stückes sich aus der Hörweite des Publikums entfernt.
Diesem Fernorchester (japanisch fern  =  tôku) wird nun im Weiteren ein NAH-Orchester von 19 Bläsern entgegengestellt, sodaß sich mit den 11 Bläsern des tôku-Orchesters eine  Gesamtbesetzung von 30 Blasinstrumenten ergibt.
Das Verhältnis von fern und nah wird zum "Thema" der Komposition  -  weiche und harte Schnitte und Blenden, Übermalungen, Antiphonien verknüpfen die auf die beiden Orchester verteilten Strukturen.
Eine verbindliche Position des Hörers gibt es in dieser Klanglandschaft wie im folgenden ANDERE RÄUME nicht mehr: das tôku und das NAH sind austauschbar geworden, sind polyphone Musiken mit jeweils ihrem eigenen Recht und im Grunde der Beginn einer Polyphonie auf einer noch höheren Stufe, wo nicht mehr nur Schichten, Sätze oder Kompositionen, sondern ganze Programmabläufe gleichzeitig  für verschiedene Räume komponiert werden. Das Publikum verfolgt dann je nach Raum einen anderen Strang oder  -  an einigen Überschneidungspunkten  -  auch mehrere Stränge gleichzeitig. Auf jeden Fall komme ich mit dieser Musik näher zu dem Ideal, für jeden Zuhörer ein  anderes, unverwechselbares Klangerlebnis zu entwerfen.

tôku/NAH entstand 1993- 94 im Auftrage des Akiyoshidai - Festivals in Japan und ist Toshio Hosokawa gewidmet.
Die Uraufführung am 24.8.94 in Akiyoshidai spielte das Kuwanoyama Highschool Wind Orchestra unter der Leitung von Shunji Takenaka.

Robert HP Platz


tôku / NAH (1994)
für zwei Blasorchester


Besetzung: 2. Picc. 1 (Eh). 7. Bkl. 2 Asax. Tsax. Barsax. 1. / 4. 3. 2. Bps. 2. Euph. / 3 Schlzg.

Uraufführung: Akiyoshidai, 24.8.1994

Dauer: 16'

Verlag: Ricordi München – Sy. 3245 Part.* / Sti.