ANDERE RÄUME
ANDERE RÄUME
trägt seinen klangtopografischen Ansatz bereits im Titel. Die Partitur
für vier Schlagzeuger und Tonband (Schlagzeug, Bläser- und Vokalklänge)
lebt von Nah- und Fernwirkungen, von der Überlagerung verschiedener
musikalischer Räume, von Klanggesten, die sich in dem musikalischen
Beziehungsraum zwischen Tages- und Jahreszeiten, den vier Elementen und
den Himmelsrichtungen bewegen. Das verwendete Instrumentarium der vier
Schlagzeuger ist denkbar einfach gehalten. Drei Spieler arbeiten
ausschließlich mit je einer Instrumentenfamilie: vier Holzstücke
(Spieler I) dominieren den ersten Teil und nehmen mit der Zeit an
Dichte langsam ab. Teil zwei, fast ganz statisch und langsam wird durch
Spieler II und seine drei TAMTAM geprägt. Der dritte Teil, eine
langsame aber stetige Steigerung, durch die Trommelattacken von Spieler
III (4 Tom und eine Große Trommel). Der vierte Spieler verfügt als
Solist über alle Instrumente der drei anderen Spieler und wird so zum
Zusammenfasser, Bündeler der unterschiedlichen Bewegungsmuster und
Farben. Der vierte Teil des Stückes fügt die drei Instrumentenfamilien
zusammen.
Die Tonbandklänge wurden in ähnlicher Weise formal
behandelt: je ein Teil wird durch eine bestimmte Instrumentengruppe des
Schlagzeugs sowie durch eine besondere Bläserbesetzung und eine Stimme
charakterisiert...
ANDERE RÄUME: der Hörer wird eingekreist
von mehreren Ringen verschiedener seltsam geschlossener
Raumsimulationen, und durch die Aufstellung auch von ganz konkreten
Räumen. Die Überwindung dieses Eingeschlossenseins ist das Thema der
wenigen, formelhaft und beinahe beschwörungsartig wiederholten Sätze,
die ich aus dem Tagebuch eines Kindes in einer eingeschlossenen Stadt
(Zlata Filipovic: Ich bin ein Mädchen aus Sarajevo, Bergisch
Gladbach 1994) zitiert habe:
«Alles, was außerhalb geschieht, ist weit weg…»
«Irgendwo weit, weit weg…»
«Ich wünsche mir manchmal, es würden mir Flügel wachsen…»
«Wir sind an verschiedenen Enden der Welt…»
Jeder dieser Sätze ist einem der vier Formteile zugeordnet und wird nur
von einer Stimme gesprochen oder gesungen: einer Männer- und einer
Knabenstimme, von einem Mädchen und einem Sopran.
Ihr
Versuch, sich an einen anderen Ort zu träumen steht hier für alle, die
irgendwo auf dieser Welt dort, wo sie sind, nicht sein sollen. Auch vor
diesem Hintergrund möchte ich meine Musik sehen - schafft
sie doch zumindest musikalische Räume, Kopfräume, offen genug, um
gleichzeitig nebeneinander und miteinander zu existieren.
Robert HP Platz
ANDERE RÄUME (1994-96/2002)
für vier Schlagzeuger und Tonband (4 K.)
Uraufführung: Köln, 5.5.1996 / Klosterneuburg, 20.4.2002
Dauer: 30'
Verlag: Ricordi München – Sy. 3270 Part. / Tontr.
www.rhpp.de
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