Hennings Fragenkatalog:
ALLGEMEINES
Biographisches
• 1973 die Gründung eines Ensembles: an der
MuHo Köln zur Aufführung der Werke aus der Kompositionsklasse, aber
auch Anderes (ua einige DEA von Kammermusikwerken von Morton Feldmann)
Kompositionsexamen: Falschmeldung
Zum Werkkatalog
• Leere Mitte und vor Allem VERKOMMENES UFER sollen beendet werden, ja
• Pièce Noire II ist für Tonband; geplant war Tonband, Video + Perc
• (Integral Nr. 2) zu für Rolf: damals plante
ich ein Gesamtwerk unter dem Titel Integral, bei dem verschiedene
Kammermusikstücke rund um das Publikum plaziert werden sollten. Jedes
Stück sollte unabhängig von den andern alleine aufführbar sein;
Gesamtaufführungen mit dem Titel Integral hätten alle
Stücke gleichzeitig nach einer Generalpartitur zusammengefasst. Ein
Stück für zwei Klaviere mit dem Titel Trail war geplant,
verworfen, ganz anders realisiert worden, sodaß als einziges Stück für
Rolf vorliegt. Das Projekt wurde abgebrochen, da mir die
technischen Mittel (vulgo: das Handwerk) fehlten, um die Sache in den
Griff zu bekommen.
Das Miteinander der Partituren sollte nach dem
Hyperzyklus (siehe unter trail ) organisiert werden. Genaugenommen
stellt die Beschäftigung mit diesem Hyperzyklus die Initialzündung für
meine jetzige Arbeit dar. Eine zeitlang hatte ich sogar überlegt, ob
ich dem neuen Projekt seit SCHREYAHN bzw GRENZGÄNGE STEINE den
Generaltitel Integral geben soll. Vielleicht ist der Einfluß von Heiner
Müller ("Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten")
schuld daran, daß bei größeren Aufführungskomplexen immer alle Titel
genannt werden.
• enfin habe ich in der Tat
zurückgezogen. War nur ein Gelegenheitswerk, an einem Nachmittag auf
dem Balkon komponiert...
ÄSTHETISCHE PHÄNOMENE
Frühe Entwicklung
• Erste künstlerische Prägungen und Schritte waren
sicher in der Bildenden Kunst: ich nahm teil an einem Kurs über Moderne
Kunst, der in einen kleinen Arbeitskreis mündete. Ich kannte mich
dadurch früh - mit 15-16 Jahren - sehr gut aus in
allem, was mit zeitgenössischer Kunst zu tun hatte. Daher waren mithin
meine ersten Werke damals sogenannte "Environements", heute eher
"Installationen" genannt.
• Die Pop-Art war
damals gerade das Neueste vom Neuen und heiß diskutiert. In meinem
Verständnis bestand sie vor allem aus dem Herausreißen eines
bildnerischen Details aus dem Zusammenhang und seiner riesenhaften
Vergrößerung; oder: das Herausbilden eines Bildnerischen Topos aus
einem nebensächlichen Details (siehe Warhol's Suppendosen). Natürlich
besteht Pop-Art auch aus anderen Dingen und Sichtweisen (Wesselman,
Rauschenberg, etc etc), aber für mich war das der Hauptzweig.
Ins
musikalische übertragen hieß das für mich eine Erneuerung des alten
Charakterstückes: die Vergrößerung einer momentanen Stimmung, eines
musikalischen Sems (mein Bruder promovierte später in Semantik bzw
Psycholinguistik und ich bekam schon lange vorher einiges davon mit)
ins Allgemeine: Ausschnittvergrößerung wäre das in der Photographie.
uns/euch ist ein solches Charakterstück in diesem Sinne.
Stockhausen
• mein Interesse für asiatische Musik & Kultur
allgemein begann mit dem oben genannten Arbeitskreis viel früher. Ich
war ja auch Gitarrist + Komponist in einer Rockgruppe, bevor ich
Komponist von "E-Musik" wurde und so gab es sicher auch einen Einfluß
der Beatles mit ihren indischen Eskapaden. Stockhausen traf ich viel
später.
• nicht so sehr ein Ergebnis der
Begegnung mit der Theorie als vielmehr eine ganz praktische Erfahrung:
ohne die berühmte Stelle, an der in Stockhausen's Kontakten ein Klang
nach unten fällt und die Parameter heruntertransponiert werden (um bei
Deiner Terminologie zu bleiben bei aller Vereinfachung: ich verstehe,
was Du meinst) hätte ich die Idee zur formalen Klammer von SCHWELLE
schwerlich gehabt.
• eher auf Boulez, den ich
persönlich kennengelernt hatte und der mich zu Proben mit dem
SWF-Orchester in Baden-Baden einlud: das waren trotz großen Interesses
meinerseits und einer rasch wachsenden Partiturbibliothek die ersten
wirklichen "Erfahrungen" mit Aleatorik (er dirigierte damals zB sein
Eclat und ich verfolgte die Proben vollständig mit Partitur).
• es ist offenkundig, daß ich meine "chromatischen"
Tempi ohne Stockhausens Vorleistung heute nicht benutzen würde. Als
Musikdenker, aber auch als immer wieder gegen den Strich arbeitenden
Komponisten gehört er zu meinem Stammbaum: unverzichtbar. Ebenso seine
Insistenz bei der Notation. Dieser immer wiederkehrende Satz, wenn ein
Interpret anders auf die Notation reagiert als der Komponist es sich
vorgestellt hatte: "wie soll ich es dann notieren?", den sollte man
jedem Komponisten auf die Stirn schreiben: nie aufhören zu lernen, auch
von seinen Musikern.
Der Einfluß Fortners war ähnlich und geht über
den von Stockhausen in einem Punkte allerdings hinaus: seine
Rigorosität sich selber gegenüber, die er auf mich übertrug: die ist
wichtig. Sich niemals etwas vormachen, sondern ehrlich sein mit sich
selber; nicht selbstverliebt alles akzeptieren was "dabei herauskommt",
sondern immer sich Rechenschaft ablegen: das war sein Einfluß.
Stockhausen - Momentform
• wahrscheinlich gibt es durchaus einen solchen
Zusammenhang. Jede Seite des Stückes ergibt einen Abschnitt... man
könnte das sehr wohl als "Moment" im stockhausenschen Sinne bezeichnen.
• nein, die Idee der Bonsai-Ästhetik hatte mit
Webern, meinen Erfahrungen bei der der klangforschung/Psychoakustik im
IRCAM und japanischen Einflüssen zu tun.
Die Eigenständigkeit des
Einzelmomentes hielt ich immer für gefährlich. Namentlich Stockhausens
Vorstellung, man könne den Konzertsaal verlassen, später zurückkommen
und man hätte nichts versäumt schlägt auf ihn selber zurück. Ich musste
bei einer UA von Hamel in Donaueschingen ("Dharana") einmal
pinkelngehen: als ich zurückkam, hatte ich nachweislich nichts
versäumt - die spielten immer noch das gleiche. Die
Eigenständigkeit des Momentes erschien mir so immer als eine sehr
unwillkommene Fortsetzung einer falschen Richtung; eingeschlagen durch
Satie mit seiner "Musique d'ameublement".
• Dazu
müsste ich erst einmal die Stelle in Stockhausens Buch nachschlagen;
das steht aber in meiner Kölner Bibliothek...
Also: wenn direkter Zusammenhang, dann unbewußt (höchste Lust... (Tristan, Ende...)).
Holismus
• Traditionelles Organismusmodell?: naja, ohne Goethe
kein Webern, ohne Webern kein Platz etc. Aus der besagten Stelle in
meinem Vortrag geht aber glaube ich hervor, daß dies für mich eine ganz
konkrete praktische Erfahrung war und keine Theorie, wie das ganze
Gedankengebäude hinter meiner Musik viel weniger theorielastig ist als
viele Leute glauben. Der Vorwurf dieser Theorielastigkeit hat mich
immer verletzt...
• Der Serialismus stand in der
ideologischen Kritik, da er in einen Determinismus umschlug (und zwar
gleich zu Beginn in den 50er Jahren), der keinen hörbaren Unterschied
zum totalen Zufall aufwies: durch totale Kontrolle verloren die
Komponisten die Kontrolle. Der Paradigmenwechsel ist in meiner Musik
schon von den allerersten Stücken an hörbar: ich kompiniere im
emphatischen Sinne Musik. Ich möchte hier nicht wiederholen, was ich zB
im "Formpolyphonie-" Artikel in meinem Buch geschrieben habe (S. 12).
In Kürze also: der "ideologische Hintergrund" ist für mich, daß die
elementaren Bausteine der Musik übereinstimmen, und je weiter man nach
oben geht in der Ordnung (siehe Buch), desto barocker, freier wird der
Umgang damit.
Daß dies mit narürlichen Phänomenen in der Narur (in
den Naturgesetzen) übereinstimmt ist erwünscht, aber hat mit Ideologie
soviel zu tun wie die Entscheidung eines Archtitekten, ein Haus mit
Dach zu bauen (damit die Bewohner nicht naß werden) - wo
man auch in der Natur überall Dachfunktionen finden kann...
• Diese Allgemeingültigkeit - auch durch
den Hyperzyklus - ist in der Tat - s.o. -
angestrebt. Ich bestreite aber vehement, daß deswegen in letzter
Konsequenz der Komponist dem Zwang des Materials erliegen muß. Da hat
man zu sehr auf schlechte Komponisten oder Tabellenvertoner geachtet.
Selbst Boulez hat nach "Structures" anders geschrieben. Wenn dieser
Zwang so allgemein und konsequent wäre, dann müssten bei allen
entsprechenden Komponsiten die Stücke alle gleich klingen. Das tun sie
aber nachweislich nicht. Noch nicht einmal meine Stücke (ich lege
darauf sehr viel Wert) klingen einander gleich.
Meinen Satz, ich
sei "Teil einer selbstentworfenen Maschine" würde ich, da in dieser
Richtung mißverständlich, heute garantiert nicht mehr schreiben.
• ein funktioneller Zusammenhang zwischen den
"Archtitekturmodellen" und den "Echo-" Stücken besteht nicht. Die
Echostücke sind manchmal zwar auch Vorecho, aber haben mit der Strenge
der andern Stücke nichts zu tun.
Ein Beispiel, wenn auch ein
vertracktes: Ich wollte das Orgelstück vor dem Streichquartett
schreiben, und zwar als Vorausecho, um bestimmte Formabläufe etc
auszuprobieren. Ich kam nicht weiter und schrieb das Quartett zuerst
fertig. Dann ging die Arbeit am Orgelstück weiter, kam in eine
Sackgasse; ich fing neu an und schrieb mich wieder fest: kein
Weiterkommen (obwohl ich mir sicher war, daß jetzt das zu benutzende
Material und die formale Anlage richtig waren - ich war
blockiert, vielleicht einfach deshalb, weil es ein Orgelstück war).
Daraufhin schrieb ich als Nachecho zum Streichquartett (von der
formalen Anlage her) und mit dem Material des Orgelstückes das
Streichtrio (Broken Book Skizze), danach war ich freigeschrieben und
machte mich ohne weitere Probleme an das Orgelstück.
Formpolyphonie:
• Ich habe 1970 bei den Darmstädter Ferienkursen
sogar einen Arbeirskreis "Politische Musik" organisiert, bei dem ich
auch Monsieur Dahlhaus dabei hatte...
Als Beispiel diente meine Komposition Einsatz für Kristi, ein Stück, das recht basisdemokratisch organisiert war.
Dies hat sich im späteren Werk nicht niedergeschlagen. In den jetzigen
Werken wird der Hörer auch garnicht politisch-gesellschaftlich
aktiviert, sondern erhält schlicht die (Wahl-) Möglichkeit des
selektiven Hörens. Ich würde also eher von einer Emanzipation des
Hörers sprechen; aber vielleicht meinst Du auch gerade das. Wichtig ist
mir dabei auch die Überzeugung, daß der persönliche Hintergrund des
Hörers untrennbar mit dem zusammenwirkt, was er hört (siehe Buch S. 155
ff). Jeder also hört letztlich seine eigene Musik, darauf zielt mein
Werk auch ab.
• Noch nicht einmal geht es um eine
Relativierung der Autorenintention, da es ja keine "Freiheiten" bei der
Ausführung gibt: alles ist vorgesehen; auch die Vertauschung des NAH
und fern muß ja vom Autor so vorgearbeitet sein, daß es funktioniert.
• So ganz verstehe ich die Frage nicht... Die
Prozesshaftigkeit der Form entwirft insofern eine "Zweckhaftigkeit",
daß sie ein zu erreichendes musikalisches Ziel aufstellt. Zur
Formpolyphonie sehe ich da keinen Widerspruch.
Wohl gibt es
prozesshafte und nichtprozesshafte Passagen im Werk; aber erst aus
dieser Binnenspannung erwächst auch der formale "Sog", den ich anstrebe.
• Man kann meine Polemik durchaus wörtlich nehmen:
sie richtete sich gegen die Komponisten der "Neuen Einfachkeit" und
ihre Vermarktung und redete einem musikalischen Diskurs das Wort, im
Gegensatz zu den dümmlichen Auslassungen (zB von Bose, der dergleichen
auch heute noch wiederholt) markttechnischer Provenienz. Der Begriff
vom Materialstand hat mich zwar kurzzeitig - Anfang der
70er Jahre - sehr beeindruckt, aber daß ich gesagt hätte:
"der Stand des Materials ist heute so & so, ergo postuliere ich nun
die Formpolyphonie", so war es sicher nicht. Ich habe meinen
persönlichen Standpunkt versucht, aus der Geschichte herzuleiten. Den
Widerspruch sehe ich auch hier nicht...
• Die
jetzige Arbeit sehe ich eher als Fortführung von SCHREYAHN, das, als
ich es schrieb, noch garnicht Teil eines größeren Werkes war. Das kam
danach. Im Rückblick erscheint mir auch die Werkgruppe Rezital und
RELAIS (l'œil) Atila roundling als Initialzündung des Werks: als Muster
für die Möglichkeiten horizontaler und vertikaler
Verknüpfung/Vernetzung.
Es gibt da einen kapitalen Unterschied
zwischen den Erfahrungen mit SCHWELLE undVERKOMMENES UFER einerseits
und dem Werk der letzten Jahre andererseits: bei den beiden genannten
Kompositionen strebe ich nach wie vor komplette Aufführungen an. Beim
Werk seit GRENZGÄNGE STEINE ist dies ab einer gewissen Dauer praktisch
unmöglich; hier geht es eher darum, immer wieder neue und andere
Werkausschnitte aufzuführen.
• Ich bin ein
wenig vorsichtig mit Wissenschaftsvergleichen. Wer weiß, ob ich die
Teilchenphysik (eher darum geht es als um Quantentheorie) richtig
verstanden habe: das Wort vom "creativen Irrtum" gibt es ja schon
länger. Ob es sich tatsächlich um ein Äquivalent handelt maße ich mir
nicht an, zu postulieren. Inspiriert hat mich das schon, übrigens
gehört das in Skizzen entstehende Orchesterwerk mit dem schönen Titel
TOP auch noch dazu.
Wenn es manchmal klappt und der Vergleich
Wissenschaft / Kunst funktioniert, kann es allerdings zu glückhaften
Konstellationen führen. Ich war sehr davon angetan, als ich vor Jahren
in Göttingen dem Nobelpreisträger Prof. Eigen gegenübersaß und ihm die
Noten von trail erklärte und wie er mir auseinandersetzte, daß ich da
nicht nur zu etwas angeregt gewesen sein, sondern daß es sich dabei um
einen echten Hyperzyklus handle...
• Ich habe
darüber oben schon einiges gesagt. Der Hyperzyklus war ganz sicher eine
Hauptquelle. DIE Hauptquelle aber dürfte in "Davinas Fragen"
angesprochen sein: mein Lebensgefühl. Immerhin sind auch die
allerersten Stücke schon charakterisiert durch Überlappungen,
Gleichzeitigkeit von Gegensätzen etc. Dazu kamen Faszinationen für
Raumklänge (Monteverdi etc) und Polyphonie... ich habe im Sommer vor
meiner Aufnahmeprüfung an der Hochschule Freiburg einen Sommerkurs
mitgemacht in Staufen/Baden, wo ich auch in einem Chor mitsang. Dort
wurde extensiv Josquin geprobt und gesungen: das kannte ich bis dahin
nicht, und es war eine Offenbarung für mich. Ich habe das geliebt!
• Diese Frage überkreuzt sich ein wenig mit einer
früheren... Aus der "Ästhetik des Kleinen" sind die Echo-Stücke
garnicht herzuleiten. Sie ergeben, aneinandergereit, eine kleinere
Version des Großwerks, wenn auch viel freier und ohne
Gleichzeitigkeiten. Nennen wir sie "Schwesterstücke" zu den Großen.
Begonnen hatte es mit Echo II. Ich hatte mit viel Schweiß und Arbeit
nerv II komponiert und - im Hinblick auf die Überlappung mit
ANDERE RÄUME einerseits und WEITER andererseits viele Dinge nicht tun
dürfen, auf die ich aber musikalisch gleichwohl Lust hatte. Daher bekam
ich die Idee, ein Schwesterstück in der gleichen Besetzung zu
komponieren, das mit dem selben Material ganz frei und rhapsodisch
umgeht. Das Stück müsste in kürzester Zeit entstehen. Und so geschah es
auch. Daraufhin entschloß ich mich, das vorher geschriebene dense
in der erweiterten Fassung zum Echo I zu erklären; und seitdem läuft
die Reihe weiter...
• Der Zusammenhang zwischen
den einzelnen Stücken des Werkkomplexes seit SCHREYAHN ist auf der
Materialebene zunächst durch zwei Dinge gegeben: jedes Stück bezieht
seine Skalen und davon abgeleitet seine Rhythmen etc von einer
"Mutterskala", die nie zur Gänze, sondern nur in immer wieder neu zu
definierenden Ausschnitten benutzt wird. Die wichtigsten Zentraltöne
(wichtig, da Zentraltöne von einzelnen "Gesten") sind Teil dieser
Skalen. Und jedes Stück ordnet sein Material zu einer Auswahl von
diesen insgesamt 8 "Gesten", deren jede einen bestimmten
Bewegungs(arche-)typus mit einem Zentralton mit entsprechendem Tempo,
einer Dynamik, Klangfarbe etc sowie einem "Vektor" (dynamisch oder
statisch, wenn dynamisch wachsend oder abnehmend) zu einer
unverwechselbaren Gestalt verdichtet. Diese "Gesten" (mir ist bislang
kein besserer Begriff eingefallen - "Strukturen" ist zu
allgemein, da die gestalthafte Qualität des "Gestus" nicht darin
enthalten sind; "Themen" sind es schon garnicht: die "Gesten" sind
nicht themenhaft, entfernt könnte man allerdings ihre Transformationen
und ihr Ineinander-Übergehen mit "Durchführung" vergleichen...) werden
für jedes Stück ähnlich wie die Skalen in einer neuen Auswahl
zusammengestellt.
Der Zusammenhang zwischen up, down, stramge und
charm ist übrigens erheblich enger als zum Beispiel der zwischenWEITER
und up, da hier noch eine andere Komponente hinzukommt: die vier Stücke
dieses Zyklus (der 1. Satz von Tau gehört auch dazu) sind ganz konkret
aufeinander hin komponiert, und zwar über die gesamte Dauer jedes der
Stücke, während sie sich auf ähnliche Weise nur in den Schlußtakten des
Orchesterstückes auf WEITER einstellen.
Inhaltlich gibt es von
Stück zu Stück eher Unterschiede, aber das ist auch so angestrebt. Als
Beispiel: tôku/NAH überlappt sich fast mit der gesamten Dauer mitANDERE
RÄUME, die beiden Stücke gehen mit weitgehend identischem Material um
(mit Ausnahme der Stimmen & Texte), kommen aber zu ganz anderen
Formen und Aussagen. Das ist kein Widerspruch, sondern Polyphonie im
besten Sinne des Wortes.
• Die Differenzierung
der einzelnen Stücke habe ich eben gerade versucht zu erläutern.
Selbstverständlich kommen zu den genannten Parametern noch räumliche
Aufteilung, Besetzung etc dazu. Die Durchhörbarkeit wird gewährleistet
durch gemeinsame harmonische Felder und rhythmische Gemeinsamkeiten
oder auch Gegensätze: ganz im Sinne der klassischen Polyphonie, nur auf
höherer Ebene.
• die jeweils "neuen" Stücke
werden durch die zuletzt genannten Maßnahmen auf die anderer Stücke
zugeschnitten; jedesmal ein wenig anders, mit Schnitten, Blenden formal
verbunden.
Die polyphone Überlagerung wird bei der
kompositorischen Arbeit vor allem durch gemeinsame harmonische Felder
gesteuert; die Tempi sind meist in harmonischen Relationen zueinander
gehalten. Wenn die Tempi einigermaßen stimmen, ergibt sich fast
zwangsläufig ein richtiger Zusammenklang. Man hört zum Beispiel in der
Aufnahme von Donaueschingen, daß das Ende von nerv II mit dem Beginn
von WEITER nicht optimal koordiniert ist (naja: ich höre das...), da
die Tempi nicht ganz stimmen. Trotzdem "paßt" es einigermaßen, da der
Beginn des Orchesterstückes durch sein Hin- und Herwechseln sich
weitgehend auf das Violinkonzert einläßt.
Der extrem leise
Werkbeginn bei Tau ist in der Tat prekär, aber auch ungemein aufregend,
wenn er gemeinsam mit den anderen Stücken des Zyklus gehört wird: er
schält sich langsam aus dem Kontext heraus.
•
Eine "gewisse Nähe" meinethalben, man muß auch Gönnen können. Es gibt
allerdings einen wichtigen Unterschied: bei Stockhausen steuert die
Formel das gesamte Werk in jeder Einzelheit. Bei meiner Arbeit ist dies
nicht so: mein Umgang mit dem Material ist erheblich freier und vor
allem nicht als Projektion vom Kleinen zum Großen gedacht; also nicht
geschlossen, sondern offen. Die Verwendung des Begriffes "Matrix" ist
hier im Übrigen gefährlich: es gibt ja in jedem Stück eine andere
"Matrix", die indes eine Nummernfolge ist, die die Reihenfolge der
Skalentöne kontrolliert. Das hast Du glaube ich hier nicht gemeint, ich
habe in dem Sinne, den ich in Deiner Frage vermute, geantwortet.
• Die größere Offenheit drückt sich zum Einen in dem
gerade geschilderten Tatbestand aus. Zum Andern - und
abgesehen von den verschiedenen Aufführungsmöglichkeiten -
durch den in jedem Stück ein wenig anders berücksichtigten Zwang, auf
die benachbarten Stücke einzugehen und ein gemeinsames Ganzes zu
bilden. Das mag im Einzelfall sogar (Beispiel: das Verhältnis ANDERE
RÄUME / nerv II) eine grandiose Schlußsteigerung im einen Stück im
Hinblick auf eine besondere Passage im andern Stück bedeuten, wenn auch
als Einzelfall. Generell gehört es zum kompositorischen Ziel, den
Widerspruch zwischen angestrebter Finalwirkung jedes Stückes (jeweils
wieder auf andere Art) und dieser ebenso angestrebten Offenheit zu
überwinden.
Technische Fragen:
•
Die Temposchichtungen gehen vom Tempo aus, das jeweils mit einem
Zentralton korreliert und so leicht fassbar bleibt: ein c verhält sich
zu einem g wie 2:3, und so können die Tempi 61 (=c) und 92 (=g) sehr
leicht übereinandergelagert werden.
• Aus der
Verschiedenheit der Materialstrukturen ( = der "Gesten") und aus der
ganzen Anlage meiner Musik resultiert die Wichtigkeit des Hörenkönnens
(oder: Verstehenkönnens). Allerdings ist dies keine absolute, sondern
eine relative Größe, abhängig von Vorbildung, Erkenntniswilligkeit etc
des Hörers. Ich gebe zu, daß einzelne Passagen des Ganzen bei
Übereinanderlagerung ganzer Stücke (Donaueschingen) nicht gleichzeitig
durchgehört werden können. Dies ist aber kein Widerspruch; der Hörer
wird je nach Sitzplatz und Hörfähigkeit (s.o.) Anderes oder weniger
oder mehr hören. Die Forderung der Durchhörbarkeit besteht auf jeden
Fall im Einzelfall eines Stückes (ich verweise allerdings auf Charles
Ives' Memo "how do you know you don't hear?" in Bezug auf dichte
Überlagerungsstellen).
Ästhetische Fragen (nicht weiter differenziert):
• Postmoderne: es war klar, daß eine Innovationswelle
wie in den 50er Jahren des XX. Jahrhundrts nicht ungebrochen auf alle
Zeiten weitergehen würde. Ich bin kein Marxist: die Geschichte geht
nicht auf einen Endpunkt zu, an dem sie sich in einem goldenen
Zeitalter erfüllt; also auch die Musikgeschichte nicht. Und wenn es so
wäre, so wären es die 50er Jahre sicher nicht gewesen.
Daß für
alles und Jedes ein neues Etikett gefunden werden müsste war ebenso
klar. Was unter Postmoderne subsumiert wurde, war allerdings allzuoft
ein beliebiges Durcheinander mit oft eindeutig rückwärts gewandter
Philosophie = Restauration.
Inzwischen sprechen manche wieder von
einer Neomoderne, ich laß' sie reden und lege eigentlich garkeinen Wert
darauf zu wissen, mit welchem Etikett meine Musik beklebt wird.
• Über die Noten hinausgehende Aussage: das ist
wahrscheinlich eine für mich typische Antwort: Ja und nein. Im Moment
des Komponierens und jede Partitur für sich - da würde ich
Stravinskys Wort rechtgeben, nach dem Musik nichts und rein garnichts
außer den Noten transportiert. Trotzdem... es ist mir klar, daß die
Gesamtanlage meiner Musik selbstverständlich über die Noten hinaus
verweist auf politische Vorstellungen von Gleichberechtigung
verschiedener Schichten etc.
• Kann Musik
politisch sein?: Im eben gesagten Sinne ja. Aber nur in diesem Sinne.
Politische Musik im Sinne von Agitationsmusik ist austauschbar: ein
Marsch ist ein Marsch ist ein Marsch, bei den Kommunisten und bei den
Faschisten.
Meine Musik handelt vom Respekt vor dem Anderssein, vom
Den-Andern-Vortreten-Lassen; eigentlich ist sie (ich meine das
Gesamtwerk seit 1989) nicht nur eine musikalische, sondern auch eine
humanistische, eine politische Utopie.
• Welche
Funktion hat Musik?! Eigentlich waren die bisherige Fragen Teilfragen
hierzu. Unmöglich, dies mit einem Satz zu beantworten. Musik ist
Spiegel der Welt, so wie sie ist, so wie sie sein könnte/sollte, so wie
sie nicht sein sollte (Musik ist also auch Klage), musikalisches Bild
philosophischer Gedankengebäude, Äußerung privater Regungen, Musik ist
Liebe, Haß, Musik ist Denksport, Glasperlenspiel, Volksunterhaltung (im
guten Sinne), Bildungsinstrument, Erziehungsmittel, und so viel
mehr.... über mein REQUIEM habe ich geschrieben "leben ist gegen den
Tod ansingen, sterben: sich in Klang auflösen" -
Musik ist, in der Musik geht es um Leben und Tod.
EINZELNE WERKE:
Zu Maro & STILLE:
• Bei diesem Stück war das polyphone Verhältnis unter
den Einzelsätzen noch sehr rudimentär: Polyphonie spielt sich ab in dem
Spannungsfeld der einzelnen Schichten in STILLE. die ersten beiden
Sätze habe ich verknüpft durch einen gemeinsamen Ton (das hohe h) von
Klavier und Violine; und das nicht einmal in der Partitur. Ich habe die
Partitur nicht hier in Hannover; aber Du wirst sicher die Stelle leicht
finden.
Requiem:
• Durch die
Nichtaufführung von SCHWELLE als Ganzem erlangte dieses Stück für mich
eine quasi existenzielle Bedeutung. Daher der Transfer ins REQUIEM.
Eine genuin musikologische Begründung gibt es nicht.
SCHWELLE:
• Ich wollte vor allen Dingen einen größtmöglichen
Farbenreichtum, darüber hinaus - je nach Kontext (ja,
natürlich ist dies kontextbedingt; niemand hört jeden Klang absolut und
denkt: aha, Pierrot Lunaire...) - durchaus eine Art
Semantik.
Vergleich: das Anna Livia Plurabelle - Kapitel aus
Finnegans Wake von Joyce, in das hunderte, wenn nicht tausende von
Flußnamen eingewoben sind als Metatext. Die Parsifalglocken in SCHWELLE
III dürfte man erkennen können, einige wenige andere Farben auch...
kontextbezogen: die Parsifalglocken natürlich deswegen, weil es
nacheinander vier Töne in der "richtigen" Reihenfolge sind. Würden die
Bayreuther Klangfarben benutzt, wäre der Fall absolut klar.
Schönbergs letztes Stück aus op 19 würde man hören, wenn der Dirigent
der UA etwas kapiert hätte und es hörbar gemacht hätte. Aber das spielt
in ein hier nicht zu erörterndes Kapitel über den Zusammenhang von
Komposition und Dirigieren/Interpretation hinein - auch
eine Ar Kontextbezogenheit.
• Es existiert leider
kein Tonband zu SCHWELLE. Nach einer persönlichen Anfrage bei Boulez
Mitte/Ende der 80er Jahre lud der mich ein, das Tonband im IRCAM zu
realisieren. Das wäre ca ein Jahr Arbeit gewesen. Da SCHWELLE aber für
Orchester und nicht für Ensemble (=Intercontemporain) geschrieben ist
gab es keine Möglichkeit für einen Auftrag: ich hätte ein ganzes Jahr
Paris ohne Dirigate etc + Miete und alles was man braucht selber
finanzieren müssen. Ich konnte es nicht; gab die Einladung zurück
zugunsten eines Projektes mit Ensemble, wofür ich dann auch einen
Auftrag bekam - daraus wurde PIÈCE NOIRE und der Anfang der
Arbeit an DUNKLES HAUS.
Seitdem wüsste ich vielleicht eher, wie
ich an Förderungen - DAAD oder was weiß ich -
kommen könnte, um das Projekt zu realisieren. Gleichzeitig bin ich am
Nachdenken, ob ich für Ensemble und ohne Tonband eine Neufassung
mache... das Problem ist die Zeit: ich dirigiere, komponiere natürlich
an meinen neuen Stücken, organisiere... und das Komponieren an den
aktuellen Stücken ist mir näher als die Spielbarmachung eines alten
Werkes; auf der anderen Seite habe ich 6 Jahre mit diesem Stück
verbracht, die verloren sind, würde es NIE gespielt...
• Das Rückwärtslaufen der Jahreszeiten hat den Grund,
das Stück mit einer enormen Steigerung beenden zu können: alles läuft
ja auf den SCHWELLE-Moment hinaus, wo durch die Beschleunigung aus
einem Rhythmus eine Tonhöhe wird etc...
Auf der andern Seite fand
ich diese Gegenläufugkeit schön. Keine Ahnung,warum. Als Gegenmittel zu
all den bis dahin schon komponierten "Jahreszeiten"? Oder aus
"astronautischen Gründen" (siehe Analyse zu Turm )?
• Die erste Anregung, wenn überhaupt von einem der
beiden, kam von Cage. Trotzdem fand ich die Art, wie Stockhausen und
Cage mit Sternkarten umgingen, immer sehr naiv. Ich projeziere
entsprechend die Sternbilder nicht einfach auf ein Notenblatt; mir ging
es eher um eine wirkliche Umsetzung: Heranziehung der Entfernungen (in
Lichtjahren = Hertz) etc...
• Da gibt es keine
Beliebigkeiten, da ich ja zwar die Sternkarte quasi wissenschaftlich
genau umgesetzt habe, aber die Parameter der Umsetzung selbst definiert
habe. Darüber hinaus habe ich nicht irgendwelche Vogelrufe imitiert
(kuckuck), sondern in ihr Inneres gehorcht und weitergeschrieben. Ich
glaube eigentlich nicht, daß ein Hörer unbedingt an Amseln denkt, wenn
er SCHWELLE I hört.
• Nein, bei SCHWELLE gab und
gibt es keine aufführungspraktische Utopie. Nur Pech: ich war zu jung,
als daß ein Redakteur mir ein ganzes Konzert gewagt hätte zu geben. Der
damalige SWF-Chef (Hommel, später Darmstädter Ferienkurse) wollte die
UA in Donaueschingen haben, aber Josef Häusler stellte sich quer.
Schlicht und einfach: Pech....
Nachdem der I. und III. Teil in
München bzw Köln aufgeführt war, kamen die Herren Redakteure zu dem
Schluß, das Stück sei ja schon gespielt worden und weiteres Engagement
in der Sache unnötig: so schrieb mir allen Ernstes der vielgerühmte,
aber leider strohdumme Dr. Clytus Gottwald, das Stück sei "ja kürzlich
schon gespielt worden. Im Übrigen..." sei der von mir für das Cover der
Partitur benutzte alte Stich "eine Fälschung des 19. Jahrhunderts". Laß
Deinen Sohn nie Komponist werden, Henning...
•
Die SOLI und ENSEMBLES funktionieren in der Tat wie Fußnoten, nur haben
sie einen völlig anderen Hintergrund: sie sind nur das Material, aus
dem dem Stück komponiert wurde, sie projezieren nicht das Stück oder
seine Archtitektur selber.
Das geht zurück auf meine
Beschäftigung mit den Brontë-Schwestern und ihrem Jugendwerk Gondal,
auf das ich durch den Brontë-Text von Arno Schmidt aufmerksam wurde. In
diesem Buch (das übrigens mikroskopisch klein geschrieben war) waren
alle Materialien als Bestandteil der Komposition mit integriert: ein
Lexikon der Personen, Stammbäume, Karten etc. Das war die Inspiration,
die mich dazu brachte, Skalen, Permutationsmuster etc in das
Stück - ja, eben wie Fußnoten - einzufügen.
• Vollmundig?... naja, ich war 27 Jahre alt damals
und war mir sicher, einen musikhistorischen Prankenschlag mit diesem
Stück ausgeführt zu haben. (Ähnlich wie Raymond Roussel, der
französische Schriftsteller, der an einem Punkt seiner Entwicklung von
Euphorie fortgetragen war: er war sicher, die französische Literatur um
Wesentliches vorangebracht zu haben). Das meine ich übrigens immer
noch. Die Schwierigkeit ist eben nur, daß ich heute nicht mehr so tun
kann, als sei ich immer noch 27 Jahre frisch und unbelastet von allen
strategischen Überlegungen. Ich KANN heute nicht mehr das fehlende
Zuspielband realisieren, selbst wenn mir einer die Mittel dafür in die
Hand gäbe. Meine ästhetischen Maßstäbe haben sich gewandelt, meine
Meinung über die Funktion von Zuspielbändern etc... unmöglich: ich bin
ein anderer als vor 22 Jahren.
"Zusammenfassung" deswegen, weil
alle Rafinessen der seriellen Musik (ohne deren Beschränkungen
allerdings), alle Rafinessen der elektronischen Musik bis hin zum
Raumklang der Lautsprecheraufstellung (eben nicht wie bei Stockhausen
damals in den 4 Ecken des Saales, um eindrucksvoll "sch-sch-sch-sch" im
Quadrat zu komponieren, sondern in John Chownings (ich hatte ihn in
Kalifornien extra deswegen aufgesucht) Tetraeder-Aufstellung, die jeden
Punkt des dreidimensionalen Raumes erfaßt (und ergo Stockhausens viel
später erfundene "Octophonie" unnötig macht)).
Natürlich
konstruiert sich jeder sein Bild der Musikgeschichte selber. Das ist
nicht nur legitim, sondern sogar notwendig zur Definition des eigenen
ästhetischen Standpunktes. Natürlich wird jemand wie sagen wir Manfred
Trojahn andere Gene besitzen als ich. Das ist völlig normal. Ich stehe
dazu.
Broken Book Skizze
• Es gibt
sicherlich Parallelen zwischen dem Trio und dem Orgelstück. Außerdem
habe ich das Material (Skalen, Rhythmen etc) des Orgelstückes benutzt.
Das heißt allerdings nicht, daß ich wie bei den von Dir genannten
Stücken eine Miniatur angefertigt hätte. Es gibt keine exakten formalen
Entsprechungen, keine "Projektionen". Das Stück kommt auch zu völlig
anderen Ergebnissen. Die Funktion, die es hatte war: mich
freizuschreiben. Ich hatte eine Schreibblockierung und konnte, trotz
fertiger Konzeption und ausgearbeitetem Material keine Note für das
Orgelstück schreiben. Erst mit dem Trio habe ich mich freigeschrieben
und konnte dann ohne weitere Schwierigkeiten ans Werk gehen.
Ka:
• "Plakativ" weil wörtlich... einige außereuropäische
Einflüsse habe ich in der Tat integriert, allerdings keine
musikologisch ableitbaren Tatbestände oder Klänge (wenn man von der
Vorliebe eines "gebrochenen" Flötenklangs (shakuhachi) in den
Flötenstücken und danach absieht), sondern eher "Haltungen", siehe dazu
mein Beitrag Der Komponist als Amöbe im wissenschaftlichen Beibuch zur
Biennale Hannover 1999.
• Die "Bestandsaufnahme"
war ganz persönlich für mich selber gemeint: ich hatte vor allen Dingen
in zwei Abschnitten mit Modulationsspektren formale
Verschränkungen/Spiegelungen entworfen, die mich später noch mehr
beschäftigt haben. Im ersten der beiden Anschnitte (habe keine Partitur
hier, aber ich nehme an, Du weißt, was ich meine) habe ich auch durch
diese Modulationsspektren für mich die Möglichkeit entwickelt, Harmonik
und Timbre ineinander übergehen zu lassen. Ich habe mit diesem Stück
meine "Handwerk" sozusagen abgeschlossen...
ZUSAMMENFINDEN:
• Ein Prototyp für die Interaktion verschiedener
Parameter, ja. Das kam so: ich wollte das Stück zuerst "normal"
notieren, begann auch damit. Zunehmend interesierten mich aber
Gleichschaltungen der verchiedenen Parameter und ich begann, zu
untersuchen: wieviel kann ich an Notation weglassen ohne
Substanzverlust? Mit anderen Worten: wie muß ich notieren, um mit einem
Parameter einen anderen automatisch mitzudefinieren? Der
Reduktionsprozeß endete mit einer Verbalpartitur, sicherlich nicht
gänzlich ohne Einfluß von Stockhausen damals.
uns/euch:
• Eine Sackgasse war das damals sicher nicht. Ich
höre das heute auch noch mit Plaisir. Nur: es war mein op 1, sozusagen.
Kein Wunder, daß später in meiner Musik Qualitäten auftauchten, die
hier noch nicht ausgebildet sind (wie sagt man so schön: da muß man
erstmal durch...).
• Die "Experimente" mit
aleatorischen Elementen waren ein Zeichen der Zeit und Rudimente von
Beeinflussungen von Boulez vor allem, aber auch von Cage. Mit größerer
Entfernung zu den Vorbildern oder besser: mit fortschreitender Findung
meiner eigenen Musik, meines Weges, wurde das immer mehr zur
Randerscheinung, unwichtig...
• Ganz sicher gab
es damals einen Einfluß von Stockhausen, vor allem durch seinen zweiten
Zyklus von "intuitiven" Stücken mit dem schönen Namen "Für Kommende
Zeiten".
Zeitstrahl:
• Ja, die Frage
gilt vor allem auch für from fear of thunder... die dem Material
innewohnende prozessuale Gestaltung wird meinethalben zerstört, führt
aber zu neuen Ergebnissen. Das Grundmaterial muß ja nicht sklavisch
durchdekliniert werden. In Alban Bergs "Lyrischer Suite" wird übrigens
(siehe mein Essay "Musikalische Prozesse") ebenso verfahren.
Natürlich hat es etwas für sich, wenn ein Prozeß absolut geradlinig,
also linear durchgeführt wird. Das wird bei mir nur im ersten Satz der
Flötenstücke so gehalten. Sonst schlage ich der Krake die Arme ab und
setze sie neu zusammen: in jedem Stück anders. Die prozessuale
Gestaltung des Materials hat trotzdem ihren Sinn: alles kommt aus einem
Kontinuum und taucht dorthin auch wieder ab. Es ließe sich vergleichen
mit dem Benutzen der chromatischen Skala: wenn man nicht eine
chromatische Tonleiter spielen läßt - warum dann überhaupt
diese Skala?
Textbezogene Musik:
• Eine
Erneuerung des Musiktheaters kann auf viele Arten stattfinden,
spektakuläre und weniger spektakuläre. Mir war eine formale Frage
wichtig: neue Arten des "Durchkomponierens" zu finden, wegzukommen von
der Zwangsjacke von Leitmotiven etc. Was mir an formalem Zusammenhang
vorschwebte kannst Du erahnen, wenn Du bei der CD vom DUNKLEN HAUS Take
1 mit Take 11 vergleichst, danach Take 2 mit 12 etc. Pièce Noire ist
der Kern und Zielpunkt des ganzen Stückes.
Beim Verkommenen Ufer
ist es zwar ganz anders, die Interessen aber sind ähnlich, nur ganz
anders gelöst. Und natürlich geht es in beiden Fällen auch um die Musik
selber, nicht nur um Strategien.
Im Verkommenen Ufer wollte ich zum
Beispiel auch vermeiden, daß Simultanszenen so miteinander verschmolzen
werden, daß man sie kaum noch trennen kann (wie in Zimmermanns
"Soldaten"). Durch die verschiedenen Besetzungen der unterschiedlichen
Schichten wirkt es beim Verkommenen Ufer, als würden verschiedene
Stücke gleichzeitig gespielt. Nur: es paßt alles zusammen und
multipliziert sich gegenseitig in der finalen Wirkung.
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