Robert HP Platz
Werkkommentar

Als das Papier seinen Namen noch nicht bekommen hatte, die Alten also noch auf Papyrus schrieben, war dieses Schreibmaterial ein kostbarer Stoff.
Um zu sparen, wurde gelegentlich eine ursprüngliche Beschriftung entfernt und der selbe Papyrus noch einmal neu beschrieben.
Schreiben wurde so schon früh zum Gegen-etwas-Anschreiben, zum Überschreiben von etwas, das es bereits vorher gegeben hatte.
Die Schreiber der Alten Zeit blieben indes damit nicht alleine:  das Übermalen und Überschreiben wurde zu einer Technik, die zu allen Zeiten immer wieder die Phantasie der Künstler - Maler, Komponisten, ja Architekten - beflügelte.
Ein Musterbeispiel neuerer Zeit für das Überschreiben ist der „Wunderblock", eine aus verschiedenen Schichten montierte Wachsplatte, die beliebig oft beschrieben und durch einen einfachen mechanischen Schiebevorgang wieder gelöscht werden kann.
Sigmund Freud beschrieb 1925 in seiner „Notiz über den Wunderblock", daß jeder Schreibvorgang aber eine wenn auch noch so schwache Spur in der Wachsplatte hinterlässt, die jeden Löschvorgang übersteht und erkannte den Wunderblock so als ein Modell unseres Gedächtnisses in seiner Aufteilung von Kurz- und Langzeitspeicher.
Alles Geschriebene tritt so in Beziehung zu vordem Geschriebenen, bildet einen virtuellen Kontrapunkt dazu, Polyphonie.
So fallen hier Gedächtnis und Polyphonie ineins: Gedächtnis wird Polyphonie und umgekehrt.

In meinem Zyklus Wunderblock versuche ich, dem nachzugehen, dem Gedächtnis mehrfach eine neue Stimme einzuschreiben und auf diese Art eine Polyphonie zu schaffen, die zum Paradigma des musikalischen Gedächtnisses wird.

Sekundengedächtnis  -  öffne die Augen nur für wenige Sekunden und sage, was Du gesehen hast: eine japanische Pinselzeichnung... oder einen Holzdruck? Ein Stück Schiefer? Oder eine chinesische Tuschelandschaft?
Der Abdruck einer Holzlatte gerät zum Rheinpanorama.
Bildinhalte sind in Sekunden ausgewählt/umgedeutet.
Erkennen heißt: sich erinnern.
Die Sekundenstücke sind einem guten Freund, dem Künstler Daniel Hees gewidmet.

Robert HP Platz